|
Begnadete Songwriter und Komponisten gibt es einige, aber nur wenige besitzen
die unvergleichliche Gabe ihre Musik in einer wirklich faszinierenden Geschichte
zu erzählen. Zu jener seltenen Spezies zählt ohne jeden Zweifel der
Multi-Instrumentalist und Sänger Guy MANNING, wie er auf seinem aktuellen Album
zum wiederholten Male mehr als eindrucksvoll unter Beweis stellt. "Anser’s Tree"
verfolgt die Geschichte einer Familie zurück, die durch die Augen ihres letzten
Nachkommens Dr. Jonathan Anser erzählt wird, um letztendlich die Geheimnisse
seiner eigenen Vergangenheit zu entdecken und womöglich Einsicht in die
Funktionsweise des Universums zu erlangen. Stilistisch deckt MANNING dabei ein
Spektrum zwischen den schwirrenden Acoustic-Klängen des Vorgängers "One Small
Step..." bis hin zu komplexeren und orchestraleren Arrangements im Stile des
"The View From My Window"-Albums ab. Der Opener "Margaret Montgomery (1581-?)",
der mit verträumten Flötenparts (Stephen Dundon), melancholisch-frivolen
Violinenpassagen (Ian „Walter“ Fairbairn) und prickelnden Acoustic-Gitarren
brilliert, fällt unweigerlich in erstere Kategorie, während sich das dramatisch
strukturierte Kapitel "Jack Roberts (1699-1734)", das durch ein fantastisches
Saxophon-Solo von Laura Fowles abgeschlossen wird, als eine perfekte Melange aus
beiden Stilrichtungen herauskristallisiert. Im 4teiligen Epos über "William
Barras (1803-1835)" gesellen sich zu dieser Spielart sogar noch geschickt
eingesetzte Folklore-Elemente verschiedener Kulturen bzw. Stimmungen und
sphärisch anmutende Klangwelten hinzu. Mit "Diana Horden (1900-1922)", in dem
der Meister spanische Folklore, Jazz und nahezu bedrohlich-sakrale Klänge zu
einer spannend-harmonischen Geschichte verwebt, und dem
galaktisch-bluesgetränkten "Joshua Logan (1990 – 2048)" folgen meine beiden
persönlichen Favoriten unter den 7 absolut brillanten in Szene gesetzten
Kapiteln, die den Zuhörer für gut eine Stunde auf eine spannende Reise durch die
Zeit mitnehmen. Fazit: Es ist schon fast beängstigend mit welcher Kontinuität
Guy MANNING Jahr für Jahr nicht nur qualitativ hochwertige, sondern auch noch
fesselnde und ergreifende Alben komponiert, arrangiert, produziert und die
Instrumente größtenteils noch selbst einspielt. Manchmal frage ich mich wirklich,
ob der Engländer mit dem charmanten Zungenschlag von einem anderen Stern kommt