Ich mag diese CD. Okay, Guy Manning hat keine Stimme wie Jon Anderson, sondern tatsächlich eher eine wie der gleichnamige Ian, weshalb ich auch manchmal Probleme mit den Stellen habe, an denen er aus voller Kehle singt. Aber solche Stellen sind eher selten auf dem neuen Album. Das ist für mich der einzig gewichtige Schwachpunkt des nunmehr sechsten Solowerks des Multiinstrumentalisten Manning. Und gerade die Beherrschung der Instrumente, allen voran Mandoline und Akustikgitarre, machen "A Matter of Life and Death" für mich zu einer guten CD.
Zugegeben, auch ich hatte beim ersten Hören exakt die Bedenken, die Fix und Henning geäußert haben. Aber wie Henning ließ auch mich etwas durchhalten, die Scheibe immer wieder in den Player legen. Hinter dem vordergründigen "AOP" - ich bediene mich mal bei Hennings Wortschöpfung - versteckt sich nämlich neben der grandiosen Beherrschung der Instrumente durch alle Beteiligten tatsächlich mehr. Ein wenig ist es wie ein akustischer Blick durch ein Kaleidoskop, immer wieder entdeckt man ganz kleine neue Steinchen. Hier ein Gitarrentupfer, da ein Keyboard, das man beim ersten bis fünften Hören nicht wahrgenommen hatte, und immer wieder dieses gnadenlos gute Saxophon der Laura Fowles, das auch schon auf dem Vorgänger "The View from my Window" Begeisterung bei mir hervorrief. Die Klasse von "View..." erreicht diese CD zwar in meinen Ohren ebensowenig wie die von meinem Manning-Lieblingsalbum "The Cure", auf dem er mit Andy Tillison sehr viel von dem vorwegnahm, was nunmehr die Musik von "The Tangent" ausmacht. Aber es ist durchaus ein interessantes Werk, dem man mehr als nur ein oder zwei Umläufe gönnen sollte, bevor man es beurteilt, weil es schlichtweg mit jedem Hören anders klingt.
Am interessantesten in diesem Zusammenhang ist der Titel "Nobody´s Fool", der ja offenbar bei jedem völlig andere Assoziationen weckt. Hört Fix z.B. "Genesis" heraus, wird Henning an Musicals von Andrew Lloyd Webber erinnert. Für mich klingt das Stück unter anderem wegen der wunderbaren Akustikgitarre eher nach Al Stewart.
"Omens" hingegen lässt mich mit seinen gedeckten Keyboard an die frühen "Moody Blues" denken.
"Silent Man" hätten so oder ähnlich Richard Thompson und "Fairport Convention" einspielen können, während "The Dream" und "Life´s Disguises" etwas von "Jethro Tull" der "Under Wraps"-Phase haben.
Sehr gelungen ist für mich auch noch "The River of Time" mit der erneuten Kombination von Akustikgitarre und Piano und dem zusätzlichen Gesang von Laura Fowles.
"Midnight Sail" schließlich ist wirklich ein Popsong und hat nichts mit Prog zu tun. Na und?
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass es schlechtere musikalische
Einflüsse als die genannten gibt. Und wenn das ganze dann auch noch auf
spieltechnisch hohem Niveau dargeboten wird, lohnt sich ein Reinhören doch
allemal.
Marks 10-11/15
DIRK REUTER